Kreisgruppe Frankfurt am Main
Unser historischer Rückblick beginnt bereits 1871 bei der Gründung des Deutschen Reiches. Nach der Vereinigung der deutschen Länder setzte in den kommenden Jahrzehnten eine Abwanderungsbewegung in Ost- und Westpreußen ein. Von 1871 bis 1910 wanderten 1,3 Mill. Menschen in Richtung Westen, um dort Lohn und Brot zu finden.
Nach Berlin, nach Frankfurt, ins rheinisch-westfälische Industriegebiet, aber auch über den großen Ozean nach Amerika führte diese Abwanderung, um dort bessere Lebensbedingungen und Verdienstmöglichkeiten als in der heimischen Landwirtschaft vorzufinden.
Viele ostpreußische Großfamilien, die über keinen eigenen Bauernhof verfügten, lebten oft am Rande der Armutsgrenze. So war es nicht verwunderlich, dass so manch kräftiger, arbeitsame Mensch im Westen sein Glück versuchte.
Nicht zuletzt wurden die Schicksalswege vieler Ost- und Westpreußen auch durch die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und Frankreich beeinflusst.
Eine Folge war, dass Lothringen mit der Stadt Metz wieder an das Deutsche Reich zurückfiel. Metz wurde in den darauffolgenden Jahren zwischen 1880 bis 1890 zu einer Festung ausgebaut. Die starke Garnison in der Vorstadt brachte der Wirtschaft einen enormen Aufschwung. So wurden viele Menschen aus den Ostprovinzen angezogen, die sich hier als Soldaten, Beamte und Handwerker niederließen. Obwohl sie in die Bezirke ihrer neuen Heimat allmählich hineinwuchsen, suchten sie eine Insel des Zusammenhalts. Zu diesem Zweck wurde der Ost- und Westpreußenverein gegründet.
Die Metzer Neubürger stifteten ihren Landsleuten in Frankfurt am Main 1898 zur Vereinsgründung eine Fahne. Das in den Preußenfarben, schwarz-weiß, gehaltene Seidentuch ist kunstvoll mit den Symbolen jener Zeit bestickt.
Die eine Seite zeigt den preußischen Adler mit dem Text: "Ost- und Westpreußenverein Metz, gegründet am 24. Oktober 1891, gestiftet der Ortsgruppe Frankfurt am Main.
Metz, den 14. August 1898."
Die andere Seite schmücken zwei Riesen mit Eichenlaub-Kranz die einen Wappenschild mit dem Preußenadler tragen.
Die Spitze der Fahnenstange ziert ein Preußenadler aus Messing.
Zwölf Reliefplaketten schmücken die Fahnenstange und geben Auskunft über seine Stifter, darunter der Gesangs- und Musikverein Harmonika, der Gewerbe- und Fortbildungsverein, der Kampfgenossenverein sowie der Kriegerverein Metz.
Der Ost- und Westpreußenverein in Frankfurt am Main entwickelte sich in der Folgezeit zu einer Insel der Kulturpflege, des Gedankenaustausches und der Tradition. Ein Stück Heimat, in der Sorgen besprochen, gute Ratschläge gegeben wurden, vielleicht auch manche Ehe angebahnt wurde und Sehnsüchte nach Hause geschickt werden konnten.
Die Verkehrsverbindungen waren in der damals noch so großen, weiten Welt schlecht, und wer hatte schon Geld und Zeit für eine Heimatreise?
Die erste deutsche Eisenbahnlinie war zwar schon zwischen Nürnberg und Fürth 1834 in Dienst gestellt worden, aber es vergingen über 25 Jahre bis die Ostbahn an die russische Grenze nach Eydtkuhnen ausgebaut und verlängert wurde.
Dieses Reisen waren in jede Richtung umständlich und teuer.
Für jeden, der den Entschluss fasste, die alte Heimat zu verlassen, um als ostpreußischer Auswanderer mit bangem Herzen auf eine beschwerliche Reise in eine ungewisse Zukunft zu gehen, wusste ja nicht, was ihn erwartete, wenn er der vierten Klasse der Reichsbahn entstieg.
Willkommen war der Fremdling auch in Frankfurt am Main nicht immer.
Die Vorurteile der Einheimischen waren groß. Glaubten sie doch, dass Königsberg mitten in Sibirien liegen würde und die Leute von dort halbe Wilde wären. Somit wurde die östlichste Provinz des Deutschen Reiches auch Klein Sibirien genannt und die Frankfurter meinten, dass die Zugewanderten Pelzmützen tragen würden und ein Gewehr zum Schutz gegen die Wölfe. Weiterhin sagte man ihnen nach, sie würden sich mit Alkohol immunisieren und Korn gegen jede Krankheit trinken. Unglaublich war auch für viele, dass der "Pillkaller", ein klarer Schnaps mit Leberwurst und einem Klecks Mostrich, genossen wurde.
Eine der größten Schwierigkeiten war die Sprachbarriere, denn Frankfurt war nicht durch Zusammenschlüsse, sondern durch Eingemeindung gewachsen und jede Gruppierung pflegte ihren Lokal-Patriotismus mit ihrem eigenen Dialekt.
In den Wirren der kommenden Jahrzehnte - über die Jahrhundertwende hinaus - mit der durch die industrielle Revolution ausgelösten gesellschaftlichen Umwälzung und nicht zuletzt dem 1. Weltkrieg mit Not, Elend und dem bitteren Frieden, fanden die Menschen aus dem Osten in ihrem Ostpreußenverein immer einen Hort der Geborgenheit und Wärme.
Dort konnte man sich aussprechen, helfen und beraten. 1936 konnten die Sportler dieses Vereines analog zur Olympiade in Berlin sogar mit Ihrer Fahne stolz in das Frankfurter Waldstadion einziehen.
Die Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen, Frankfurt am Main besteht bereits seit 1898. Um zu verstehen, wie es dazu kam, muss man jedoch noch einige Jahre weiter zurückblicken.
Inzwischen hatte Deutschland einen neuen Reichskanzler. Er versprach Frieden, Befreiung vom Versailler Diktat, Zusammenführung der Deutschen auch über die Grenzen hinaus und Arbeit für jedermann.
Schwarze Tage in der Geschichte des Landes folgten mit der bitteren Vertreibung von ca. zweieinhalb Millionen Ostpreußen und einer großen Zahl von Westpreußen, die sich über das übrig gebliebene Deutschland verteilten. Auch in Frankfurt am Main suchten viele eine neue Bleibe.
Die meisten Mitglieder des Frankfurter Ostpreußenvereins waren gefallen, verschollen oder in alle Winde zerstreut. Ein Neuanfang in der fast völlig zerstörten Mainmetropole gelang dennoch am 5. November 1949 mit der Gründung der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen, Frankfurt am Main e.V.
Die Vereinsfahne des Frankfurter Ostpreußenvereins hatte ein Polizeibeamter in den Kriegswirren und den Plünderungszeiten danach an sich genommen und versteckt. Diesem wackeren Mann ist es zu verdanken, dass die Fahne der Landsmannschaft Frankfurt am Main erhalten blieb und bei jeder festlichen Gelegenheit ihr vertrautes, feierliches Gesicht zeigte.
Jahrzehnte sind inzwischen vergangen. Die Gruppe von ostpreußischen und westpreußischen Menschen, bei der so viele Landsleute ihre kulturelle und geistige Heimat wiederfinden, verringert sich infolge der immer rasanter werdenden Mobilität, der zunehmend global strukturierten Lebensweisen und der demografischen Entwicklung.
Dennoch sind die Mitglieder gemeinsam mit dem Vorstand unter der Leitung der Kreisvorsitzenden, Gerlinde Groß, entschlossen, die landmannschaftlichen Interessen zur Kultur- und Heimatpflege im Sinne der europäischen Vereinigung erfolgreich fortzuführen. Dafür werden Kontakte gepflegt und Treffen oder Versammlungen nach Absprachen oder Einladungen durchgeführt.
Und unsere Traditionsfahne? - Sie ist vor dem historischen Hintergrund zu wertvoll geworden. Darum hat im Frühjahr 2004 der Vorstand beschlossen, sie an das Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen zu geben, wo sie auch für spätere Generationen einen würdigen Standort gefunden hat.
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